Astronomie

Astronomie

Dass die griechische Astronomie (insbesondere die genaue Kenntnis der Planeten) auf der babylonischen fußt, ist unstrittig. Die griechischen Planetennamen gehen auf die babylonischen zurück. Ein grundsätzlicher Unterschied besteht allerdings darin, dass die Babylonier nicht an der Erklärung, sondern nur an der Berechnung und Vorhersage der Vorgänge am Himmel interessiert waren, wogegen die Griechen ihr Augenmerk auf die astronomische Theorie richteten. Die ältere Forschung hat für die Astronomie – ebenso wie für die Mathematik – Pythagoras wegen seiner Babylonreise in einer Vermittlerrolle gesehen. Auch auf diesem Gebiet führen die beiden gegensätzlichen Pythagorasbilder zu entgegengesetzten Ergebnissen: Der Schamanismusthese zufolge übernahmen die Griechen die babylonische Planetenordnung erst um 430, also lange nach Pythagoras’ Tod. Erst danach entstand das älteste pythagoreische Modell, dasjenige des Pythagoreers Philolaos. Es lässt die Erde um ein Zentralfeuer kreisen, wobei die bewohnten Gegenden auf der diesem Feuer stets abgewandten Seite liegen; auf der anderen Seite des Zentralfeuers befindet sich eine ebenfalls für uns unsichtbare Gegenerde. Mond, Sonne und fünf Planeten kreisen ebenfalls um das Zentralfeuer. Dieses System war nach Burkerts Ansicht nicht ein Ergebnis astronomischer Beobachtungen, sondern ein kosmologischer Mythos. Burkert meint, dass Pythagoras keine empirische Astronomie getrieben hat. Er weist darauf hin, dass laut Angaben des Aristoteles manche Pythagoreer einen Kometen zu den Planeten zählten, was mit dem System des Philolaos unvereinbar ist; dieses war somit nicht ein ursprüngliches Modell des Pythagoras, das als solches für die ganze Schule verbindlich gewesen wäre. Auch über die Milchstraße hatten die Pythagoreer keine einheitliche Meinung. Zhmud kommt zum gegenteiligen Ergebnis. Er hält den Bericht über eine Orientreise des Pythagoras für eine Legende ohne historischen Kern. Aus seiner Sicht war der babylonische Einfluss auf die griechische Astronomie minimal. Nach seiner Auffassung gab es ein ursprüngliches astronomisches Modell der Pythagoreer vor Philolaos, auf dem auch die platonische Astronomie basierte. Es sah eine kugelförmige Erde im Zentrum des Kosmos vor, um die sich die Fixsternsphäre von Ost nach West sowie Mond, Sonne und die damals bekannten fünf Planeten von West nach Ost gleichförmig im Kreis drehten. Dieser Ansicht waren schon ältere Befürworter der Wissenschaftsthese. Sicher pythagoreischen Ursprungs ist die Idee der Sphärenharmonie oder – wie die Bezeichnung in den ältesten Quellen lautet – „Himmelsharmonie“. Laut den – im Detail voneinander abweichenden – antiken Überlieferungen handelt es sich dabei um Töne, die von den Planeten bei ihren streng gleichförmigen Kreisbewegungen hervorgebracht werden und zusammen einen kosmischen Klang ergeben. Dieser ist jedoch für uns unhörbar, da er ununterbrochen erklingt und uns nur durch sein Gegenteil, durch einen Gegensatz zwischen Klang und Stille zu Bewusstsein käme. Einer Legende zufolge war Pythagoras der einzige Mensch, der die Himmelsharmonie hören konnte. Burkert meint, dass diese Idee ursprünglich nicht mit der Astronomie zusammenhing, sondern nur mit der Fähigkeit zu außersinnlicher Wahrnehmung, die man Pythagoras als einem Schamanen zuschrieb. Ein ausgearbeitetes System habe es zu Lebzeiten des Pythagoras nicht gegeben. Zhmud hingegen ist der Ansicht, dass es ursprünglich eine physikalische Theorie war, in der astronomische und akustische Beobachtungen und Überlegungen miteinander verbunden wurden. Er weist auch darauf hin, dass die Töne der Himmelskörper nur als gleichzeitig, nicht als nacheinander erklingend gedacht werden konnten. Daher kann man zwar von einem Klang sprechen, aber der populäre Begriff „Sphärenmusik“ ist dafür sicher unpassend.