PISA - Analyse einer Aufgabe

Wer kennt die Aufgaben?

Das Ergebnis der PISA-Studie war kaum veröffentlicht, da überschlugen sich die Nachrichten über die mathematischen Fähigkeiten deutscher Schüler: innen, dabei konnte kaum jemand überhaupt eine Aufgabe kennen. Der Spiegel hat netterweise 23 Aufgaben veröffentlicht und als Quiz angeboten. Der Artikel von Holger Dambeck und Silke Focken auf Spiegel online vom 06.12.2023 um 11.36h trägt den provokanten Titel: Können Sie besser rechnen als ein 15-jähriger? In diesem Solitär habe ich nur eine Aufgabe visualisiert, die zunächst auf geometrisches Grundwissen schließen ließ, dann aber stochastische Kompetenzen und teilweise Analysis Kompetenzen vermischte. Der Spiegel hat dazu auch schon das richtige Bild zur Illustration des Artikels benutzt.
Frage 1 des PISA-Tests 2022 © Der Spiegel
Frage 1 des PISA-Tests 2022 © Der Spiegel

Die Schwierigkeiten erkennen

Die Folge der Dreiecke wächst von oben nach unten, das ist schon didaktisch eine Hürde, denn in der Regel zeichnet man von unten nach oben. Die erste Aufgabe hat aber gar nichts mit den Dreiecken zu tun, sondern verlangt die Berechnung des Verhältnisses , also . Wer jetzt kürzen kann, kommt zum Bruch , der zwar keine Zehnerzahl im Nenner hat, aber mit 125 erweitert zu wird, was dann zum Ergebnis 37,5% führt. Diese Schrittfolge werden nur wenig Schüler: innen beherrschen, zumal der Taschenrechner solche Rechnungen verhindert. Die Weiterarbeit mit dem Nenner 16 ist weitaus schwieriger, denn 16 ist keine 10er-Zahl, also muss man sich anschleichen: Man erweitert mit 6 und kommt auf , also wird wohl 37,5% richtig sein. Für Schüler: innen ist das richtiger Punk, denn erstens ist das mit der Erweiterung problematisch, und zweitens werden die meisten fragen: Was hat das jetzt mit diesen Dreiecken zu tun? Ein einfaches Bild ohne die Entstehung des Musters fokussiert auf die Kompetenzbereiche Form und Zahl.
Frage 2 des PISA-Tests 2022 © Der Spiegel
Frage 2 des PISA-Tests 2022 © Der Spiegel

Folgen in der S I?

In dieser Aufgabe muss man die Folge der ersten ungeraden natürlichen Zahlen kennen, also hochtrabend: . Dann weiß man, dass in der nächsten Reihe 9 Dreiecke dazu kommen, weil die 5. ungerade Zahl die 9 ist. Dann muss man addieren, man erhält also 25 Dreiecke und wieviel davon sind dann blau? Hier werden Kompetenzen erwartet, die in der Regel nicht im Mathematikunterricht der Sekundarstufe I unterrichtet werden, zumindest nicht so ausführlich, dass man in dieser Breite diese Aufgabe innerhalb eines engen Zeitfensters durchdringen und lösen kann. Ich vermute, dass hier auch Lehrpersonen zunächst länger überlegen müssten. Und Sie?

Abschluss

In der dritten Aufgabe sollte man erkennen, dass die Anzahl der blauen Dreiecke immer kleiner als die Anzahl der roten Dreiecke ist, eine Aufgabe zwischen Konzentration und Wissen. Ich empfehle, den Quiz bei Spiegel online einmal durchzuspielen und mal die Zeit zu stoppen, wie lange Sie für das Verständnis der Kopfhöreraufgaben benötigt haben. Diese Aufgabenanalyse soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Bildungssystem in Deutschland überdacht werden muss, aber dafür benötigt man keine PISA-Studie, sondern es reicht, wenn man die Lehrpersonen fragt oder ihnen zumindest gut zuhört. Solange die Vorbereitung auf zentrale Abschlussprüfungen über starke Verlagsreihen erfolgt, was im Englischen 'teaching for the test' genannt wird, solange können weder Lehrer: innen, noch Schulen den Schüler: innen helfen, Tests in dieser -durchaus interessanten- Aufgabenstruktur zu bestehen. Dafür bedarf es jedoch eines strukturierten Mathematikunterrichtes, der von didaktisch gut ausgebildeten Fachkräften zielgruppenspezifisch vorbereitet und moderiert wird. Mathematiklehrer: innen -sollten!?- Wissen, was in der Primarstufe passiert ist und was in der Oberstufe verlangt wird, dann fallen solche Tests vermutlich besser aus. Solange jedoch Aufgaben vornehmlich aus dem ökonomischen Bereich kommen (sogenannte Alltagstauglichkeit) , werden mathematische Zusammenhänge, wie sie z.B. in der o.g. Aufgabe eine Rolle spielen, vernachlässigt.