Motivation
Man erzählt sich, dass der berühmte Mathematiker Carl Friedrich Gauss (1777-1855) die folgende Aussage in seiner Schulzeit bewiesen haben soll, als sein Lehrer den Schülern die Aufgabe stelle, alle Zahlen von 1 bis 100 zu addieren. Er überlegte sich, dass es dazu bestimmt eine Formel gibt und stellte die folgende auf:
Diese Formel lässt sich auch verallgemeinern für ein : .
Nun musste er nur noch seinem Lehrer beweisen, dass diese Formel auch stimmt. Dafür nutzte er nach den Erzählungen die vollständige Induktion. Der Beweis folgt nach einer kurzen allgemeinen Definition.
Die vollständige Induktion kann also dazu verwendet werden um die Korrektheit einer "Rechenabkürzung" nachzuweisen. Wenn die Abkürzung bewiesen wurde kann das also wie beim "kleinen Gauss" zu einer großen Zeitersparnis beim Rechnen führen.
Das Beweisverfahren der vollständigen Induktion
Für jede natürliche Zahl sei eine Aussage gegeben und es gelte:
(i) ist wahr.
(ii) Für ein beliebiges aber festes ist wahr, wenn wahr ist.
Dann sind alle Aussagen , wahr.
Üblicherweise spricht man von (i) als dem Induktionsanfang und von (ii) als dem Induktionsschritt. Im Induktionsanfang wird die Behauptung zunächst für den ersten Wert gezeigt, für den sie gelten soll. Danach folgt die Induktionsvoraussetzung, in der angenommen wird, dass die Aussage für eine beliebige natürliche Zahl gelten soll. Zuletzt folgt der Induktionsschritt, in dem die Annahme auch für die folgende Zahl gezeigt wird.
Beispiel 1: "Der kleine Gauss"
Die zu zeigende Aussage:
für alle .
Entnommen aus dem Skript zur Vorlesung "Analysis I".
Beweis per vollständiger Induktion über :
(IA) ist wahr.
(IV) Die Aussage gelte für ein beliebiges aber festes .
(IS)
Hier wurde im ersten Schritt der letzte Term aus der Summe herausgezogen und danach unsere Induktionsvoraussetzung verwendet, die besagt, dass die Aussage für ein festes n gelten soll. Nun können wir weiter umformen:
Damit ist die Aussage nach dem Prinzip der vollständigen Induktion bewiesen.
Nun folgt noch ein weiteres, komplizierteres Beispiel, um dich auf die folgenden Übungsaufgaben vorzubereiten und dir schon ein paar Tipps an die Hand zu geben.
Beispiel 2:
Die zu zeigende Aussage:
für alle
Entnommen aus den Übungen zur Vorlesung "Analysis I".
Beweis per vollständiger Induktion über :
(IA) ist wahr.
(IV) Die Aussage gelte für ein beliebiges aber festes .
(IS)
Im letzten Schritt wurde hier unsere Annahme verwendet. Es ist sehr wichtig, dass du in deinen Beweisen immer kennzeichnest, an welcher Stelle du die Induktionsannahme verwendest. Schreibe am besten einfach über das Gleichzeichen von dem Schritt, in dem du sie verwendest, ein kleines IV für Induktionsvoraussetzung. In diesem Beispiel könnte das so aussehen:
Nun können wir weiter umformen und versuchen, die beiden Brüche auf einen Nenner zu bringen:
Damit ist die Aussage nach dem Prinzip der vollständigen Induktion bewiesen.
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